Ethical Mining

Ethik im Rohstoffsektor

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Verwendung von Energieträgern als politisch-gesellschaftliches Druckmittel zeigen auf dramatische Weise die Bedeutung von Rohstoffen: Sowohl für die Bewahrung einer friedlichen und wohlständigen Gesellschaft als auch für den Erhalt einer prosperierenden Wirtschaft. Dieses aktuelle Beispiel der Energieversorgung steht dabei exemplarisch für eine Vielzahl von Rohstoffen, die in unserem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben eine wesentliche Rolle spielen. Man denke etwa an Metalle, seltene Erden und Düngemittel, die für den Erhalt unseres Lebensstandards gebraucht werden. Die Gewinnung von Rohstoffen und deren Lieferketten haben globale Dimensionen und sie tangieren dabei nicht nur wirtschaftlich-politische Interessen, sondern grundlegend auch ethisch-moralische Belange betroffener Gemeinschaften. An der Schnittstelle der ingenieurtechnischen Gewinnung von Rohstoffen und der ethisch-moralischen Bewertung der Eingriffe in die Natur erkennen die Antragsteller ein Desiderat, das wir mit diesem Vorhaben schließen wollen: Die kritische Beleuchtung der gängigen Praxis der Rohstoffgewinnung und das ethisch reflektierte Überdenken der bislang eingeübten Herangehensweisen in Theorie und Praxis. Denn neben den Akteuren in den Rohstofflieferketten prägen Universitäten das Verantwortungsbewusstsein von künftigen Rohstoffexpert:innen in ihren zukünftigen Einsatzfeldern. An diesem Desiderat setzt das beantragte Vorhaben an. Es verfolgt das Ziel, ein bislang fehlendes Mixed-Reality-Handbuch „Ethical Mining“ zu erstellen und begleitende digitale Lehr-/Lernmaterialien zu entwickeln.

Rohstoffingenieur:innen planen, organisieren und überwachen den Abbau von und die Versorgung mit Rohstoffen. Dabei arbeiten Rohstoffingenieur:innen in einem Spannungsfeld zwischen technischer Machbarkeit, wirtschaftlicher Rentabilität, rechtlicher Absicherung und ökologischer und sozialer Verantwortung. Traditionell ist die Ausbildung von Rohstoffingenieur:innen fokussiert auf naturwissenschaftliche und technische Themen. In den letzten Jahren ist ihre Ausbildung um Aspekte der Nachhaltigkeit im Curriculum erweitert worden. Kodexe, Vereinbarungen und Standards zur Nachhaltigkeit im Rohstoffsektor werden in der Hochschulausbildung präsentiert, wie zum Beispiel die Global Reporting Initiative, um nur eine zu nennen. Jedoch fehlt in der deutschen und internationalen Hochschulausbildung von Rohstoffingenieur:innen immer noch die Vermittlung ethischer Grundkenntnisse, die die angehenden Ingenieur:innen dazu befähigen, ethisch fragwürdige Situationen zu erkennen, zu bewerten und sich ein eigenes belastbares Urteil zu bilden.

Ethik, die Wissenschaft, die menschliches Handeln zum Gegenstand hat und Theorien zu dessen Bewertung bereithält, bedarf mehr Gewicht bei der Ausbildung von Rohstoffingenieur:innen. Denn sie arbeiten in einer Vielzahl von Bereichen, die ethische Konflikte aufwerfen können (z.B. Menschenrechte, Gleichberechtigung). Die Entscheidungen, die Rohstoffingenieur:innen treffen, können, wenn sie nicht vollständig durchdacht sind, auch unbeabsichtigte Folgen haben (z.B. Arbeitsunfälle, Umweltschäden). Schließlich können unbewusste, internalisierte Werte und entsprechende Verhaltensweisen von Ingenieur:innen mit Werten und Weltbildern von Gemeinschaften in anderen Teilen der Welt in Konflikt geraten, wofür ebenfalls ethische Kompetenz nötig wird. Rohstoffingenieur:innen müssen den traditionellen Ansatz, nur technische oder wirtschaftliche Lösungen für Probleme zu finden, überwinden. Sie müssen eine sozial orientierte Aus-/Bildung annehmen, um den zukünftigen Herausforderungen einer komplexeren Welt gerecht zu werden. Und ein solches Pioniervorhaben beginnt mit ihrer Hochschulausbildung.